Das Pferd als Spiegelbild des Menschen

Dein Pferd ist dein Spiegel.

Es schmeichelt dir nie.

Es spiegelt dein Temperament.

Es spiegelt auch deine Schwankungen.

 

Ärgere dich nie über dein Pferd; du könntest dich ebensowohl über dein Spiegelbild ärgern.

 

- (Rudolph C. Binding) –

Überall, wo Menschen und Pferde zusammentreffen, finden Spiegelprozesse statt. (Vgl. Zöller 2006, S. 46) Pferde wissen wie wir uns fühlen, ob wir gut oder schlecht gelaunt sind und reagieren sofort und ungefiltert auf unsere Stimmungslage. So schreibt Hempfling: „Die Reaktionen des Pferdes sind nahezu immer spiegelbildlich zu den Aktionen und Gebärden des Pferdeführers.“ (Hempfling 1993, S. 102)

Warum ist ein Pferd in der Lage, so stark auf innere Prozesse des Menschen zu reagieren und unsere Gedanken und Gefühle wahrzunehmen? Warum haben sie ein viel feineres Gespür für Stimmungen als wir Menschen?

 

Zum einen hat das Pferd aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen die Fähigkeit als soziales Herdentier über feine Körpersignale miteinander zu kommunizieren. Auf kleinste Zeichen hin kann bzw. muss die ganze Herde vor Gefahren fliehen. Somit waren Pferde schon immer dazu gezwungen, aus großer Entfernung schnell ein Urteil fällen zu können, ob ein Tier oder ein Mensch freundlich oder gefährlich ist. 


Sie müssen blitzschnell entscheiden, ob es nötig ist, zu fliehen oder ob sie bedenkenlos weitergrasen können. Für die früher wildlebenden Pferde war dies überlebenswichtig. Flohen sie zu oft oder zu schnell, verbrauchte dies viele Kraftreserven, die sie zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht dringender benötigt hätten. Flohen die Pferde zu spät, konnte dies Gefangenschaft oder den Tod bedeuten. (Vgl. Morris 2001)

Zum anderen haben Pferd und Mensch einen einen sehr langen gemeinsamen Entwicklungszeitraum. Seit ca. 5000 Jahren stehen Pferd und Mensch miteinander in Verbindung. Zunächst waren Pferde Beutetiere, im Laufe der Zeit wurden sie gezähmt und kamen als Lasttiere, später auch als Zug- und Reittiere zum Einsatz. (Vgl. Zöller 2006, S. 8)

Doch wie können Pferde erkennen, in welcher Stimmung ihr Gegenüber gerade ist?

Laut Feldenkrais (1994) und Petzold (1981) können Menschen nicht denken, ohne dass sich dies in einer Veränderung der Muskelspannung zeigt. Jeder Gedanke lässt sich also irgendwo am Körper in einer Änderung der muskulären Spannung entdecken. Diese Unterschiede in der Muskelspannung sind jedoch meist so klein, dass sie uns Menschen gar nicht auffallen.

Neben der Muskelspannung ändert sich bei psychischen Prozessen auch die Atmung. Schon ein bewusstes Wahrnehmen der Atmung führt zu einem anderen Atemrythmus oder zu einer anderen Atemtiefe. (vgl. Feldenkrais 1996)

Das Spiegelverhalten des Pferdes kommt also durch die Eigenschaft, sehr feine Unterschiede von Atmung, Erregungszuständen und Muskelanspannungen wahrnehmen und darauf zu reagieren zu können, zustande. (Vgl. Möller 2006, S. 75)

Soweit dies möglich ist, muss das Spiegelverhalten von der reinen Anwesenheit des Pferdes abgegrenzt werden. Jedoch hat schon allein die bloße Anwesenheit eines Pferdes Auswirkungen auf den Menschen. Also auch dann, wenn auf die Spiegelungen durch das Pferd nicht geachtet wird.

„Nach von Rüst McCormick et al. haben die Pferde Zugang zu unserem „wahren Wesen“ und die Fähigkeit, dieses hervorzubringen.“ (Zöller 2006, S. 68)

So schreibt Heidi Zöller in ihrer Diplomarbeit: „[...] Pferde konfrontieren uns immer wieder mit unserer zugrundeliegenden Befindlichkeit. Die Beziehung und der Kontakt zu Pferden erfordert immer wieder klarste Ausrichtung und den Mut, der Stimme des Gefühls zu folgen, sich aus dem Alten und Bekannten herauszuwagen und etwas Neues auszuprobieren. Der Kontakt zu Pferden konfrontiert immer wieder mit tiefen Ängsten, die auf diesem Weg bewältigt werden können. Er konfrontiert auch mit realen Gefahren bei Unachtsamkeit. Der Umgang mit Pferden erfordert immer wieder, über die eigenen Grenzen hinaus zu wachsen. (vgl. von Rüst McCormick et al. 2000)

Der Umgang mit den Pferden kann viel geben, er erfordert jedoch auch viel - eine erhöhte Präsenz und die Bereitschaft, sich immer wieder in Frage zu stellen und neue Wege zu gehen. (vgl. Witter 2001)“  (Zöller 2006, S. 68f.)

Es ist eine große Chance für uns, das Pferd als Spiegelbild wahrzunehmen. Sie zeigen uns unser Inneres und machen es für uns offensichtlicher. „Wenn wir sehen, wie unser eigenes Verhalten wiedergespiegelt wird, erlangen wir Bewußtheit.“ (von Rüst McCormick & McCormick 2000, S. 98) Somit eignen sie sich wunderbar als Trainer und Feedbackgeber in allen Bereichen. (Vgl. Zöller, H. (2006), S. 66) „Im Grunde geben uns die Pferde ein lebendes Biofeedback, weil sie unsere inneren Prozesse äußerlich sichtbar machen.“ (von Rüst McCormick & McCormick 2000, S. 98) Dieses Feedback geben sie ehrlich und ohne jegliche Wertung. Um von diesen Eigenschaften des Pferdes zu profitieren, aber auch zu lernen, werden Pferde häufig im Umgang mit psychisch kranken und behinderten Menschen eingesetzt. Außerdem kommen sie im Persönlichkeits-entwicklungsseminaren oder Führungskräfteseminaren zum Einsatz. (vgl. Hollinger 2014, S. 5 ff.) 


„Pferde nehmen [...] in der beruflichen Praxis bereits eine nicht unwesentliche Rolle für die Entwicklung sozialer Kompetenzen ein, auch werden sie gezielt zur Reflexion von Verhaltensweisen, Werten und Einstellungen eingesetzt.“ (Hollinger 2014, S. 6)

„Das Pferd fordert [uns] heraus, sich seinen Gefühlen und seiner Körperpräsenz zu stellen.“ (Zöller 2006, S. 66)

Um darauf aufmerksam zu machen, dass Pferde äußerst sensibel sind und wir durch sie viel über uns selbst kennenlernen können, habe ich dieses Fotoprojekt ins Leben gerufen. Auf die Idee kam Herr Metz, ein befreundeter Trainer im Bereich von Führungskräfte- und Pferdeseminaren (http://www.seminare-auf-der-haardmuehle.de). Er ist in genau diesem Themengebiet tätig und arbeitet seit Jahren mit dem Spiegelbild, das Pferde geben. Ich bin Herrn Metz sehr dankbar dafür, dass ich diese Idee für meine Fotoshootings verwenden darf.

Nun noch ein kleiner Bericht über mich selbst:

Ich war früher ein kleines, sehr schüchternes Mädchen. Beim Einschulungs-Gottesdienst wollte ich nicht mit allen anderen Kindern auf die Bühne, sondern verkroch mich auf der Bank bei meiner Familie. Auch die ersten Schultage und -wochen waren eine große Herausforderung für mich.

Mit 10 Jahren ging ein großer Wunsch von mir in Erfüllung und ich durfte anfangen zu reiten. Seitdem habe ich mindestens einmal in der Woche Kontakt zu Pferden. Seit einigen Jahren besitze ich auch ein eigenes Pferd, das ich dressurmäßig reite, aber mit dem ich auch vom Boden aus arbeite. Meine Schüchternheit ist mittlerweile verflogen und ich verfüge über Selbstbewusstsein. Ich bin mir sicher, dass der Umgang mit Pferden zu dieser Entwicklung einen sehr großen Beitrag geleistet hat.

Da mir diese Thematik sehr am Herzen liegt, kann bei zukünftigen Shootings mein großer weißer Spiegel ohne Zusatzkosten dazu gebucht werden ;) Ich freue mich auf tolle spiegelnde Momente zwischen Dir und Deinem Pferd <3

Quellen:

  • Feldenkrais, M. (1996): Bewußtheit durch Bewegung. Der aufrechte Gang. Suhrkamp Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main, 1996.
  • Hempfling, K. F. (1993): Mit Pferden tanzen. Stuttgart, 1993.
  • Hollinger, T. (2014): Führungskräftetraining mit Pferden. Können Menschen von Tieren lernen?, Igel Verlag, Hamburg, 2014.
  • Izard, C. E.  (1999): Die Emotionen des Menschen. Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1999.
  • Lind, C. & Müller, C. (2005): Wie Pferde ihre Menschen spiegeln. Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co KG, Stuttgart, 2005.
  • Mamerov, A. (2011): Das Pferd ist dein Spiegel, Draksal Fachverlag, Leipzig, 2011.
  • Morris, D. (2001): Horsewatching. Wilhelm Heyne Verlag GmbH& Co. KG, München, 2001.
  • Rai, F. (1996): Natürliches Reiten: die neue Schule für Freizeitreiter. Naturbuch-Verl., Augsburg, 1996.
  • Petzold, H. (1981): Psychotherapie & Körperdynamik. Jungfermann-Verlag, Paderborn, 1971, sowie andere Ausgabe von 1981.
  • von Rüst McCormick, A. & McCormick, M. D. (2000): Pferde als Heiler. Econ Taschenbuch Verlag, München, 2000.
  • Zöller, H. (2006): Das Pferd als Spiegelbild des Menschen, URL: http://www.mediation-steyerberg.de/upload/pdf/DiplHeidiZoeller.pdf, abgerufen am 22.06.16.

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Kommentare: 1
  • #1

    Nadine (Samstag, 09 Mai 2020 00:45)

    Es sind wundervolle Bilder und eine unglaubliche schöne Idee.
    Leider wohnen wir viel zu weit entfernt, sonst würde ich sofort einen Termin vereinbaren obwohl ich eigentlich Fotos von mir nicht gern mag.
    Auch der Text ist mit viel Mühe und Sorgfalt geschrieben.
    Einfach toll �
    Ich wünsche Dir viel Erfolg und weiter wunderbare Momente.
    Viele Grüße
    Nadine

Kontakt:

 

Nellie Kirchner

97486 Königsberg

 

0151/29151548

info@nelliekirchner-fotografie.de


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